Samstag, 30. Mai 2009
damit es auch in Zukunft kreucht und fleucht... - Stellungnahme zum Eintrag "Bozens verborgene Schätze"
Dieser schönen Aktion sollten wirchlich auch Taten folgen. Die Ankündigung von Stadtrat Ladinser, die Daten bei der Erstellung von Bauleitplänen einfließen zu lassen sollte auch tatsächlich umgesetzt werden. Zudem sollte auch gewährleistet werden, dass die Informationen auch bei den sogenannten Bagatelleingriffen berücksichtigt werden. Diese stellen oft lediglich für den Bauer und das Baggerunternehmen eine Bagatelle dar, für Tiere und Pflanzen ganz und gar nicht.
Außerdem ist es dringend erforderlich für einige höchst seltene und höchst gefährdete Pflanzenarten Spezialprogramme in Gang zu bringen, indem man ihre Lebensräume angemessen schützt und pflegt. Dies betrifft ganz besonders die Trockenrasen am Guntschnaberg. Hier finden sich noch Restpopulationen einiger in Südtirol (und im ganzen Alpenbereich!) beinahe verschwundener Arten. Botanische Kostbarkeiten, wie etwa die Gelb-Wicke (Vicia lutea) oder das Zwerg-Filzkraut (Filago minima), die in der Roten Liste mit hohen Gefährdungsstufen vertreten sind, finden hier noch ein Auskommen. Die Trockenrasen werden aber durch die veränderte Landwirtschaft kaum mehr gepflegt. Hier wäre ein langfristiger Einsatz der Umweltämter unbedingt notwendig.
Bozens verborgene Schätze
(Artikel und Karikatur aus: Tageszeitung Dolomiten, Nr.121, 28.05.2009)
Es kreucht und fleucht um Bozen
Erhebung zu Flora und Fauna der Landeshauptstadt – Zahlreiche bedrohte Arten
Bozen (hhk) – Spätestens seit dem spektakulären Ausflug eines Hirsches in die Bozner Innenstadt,dürfte auch dem überzeugtesten Stadtmenschen bewußt sein, dass einiges Getier und noch mehr Pflanzen auf dem Gemeindegebiet leben. Das Umweltamt wollte es nun genau wissen und gab eine Untersuchung zum Thema Flora und Fauna in Auftrag.
Ein halbes Jahr war Priska Egger, die die Erhebung durchführte, beschäftigt, Daten von verschiedensten Institutionen zu sammeln. Ziel war es einen Status Quo der Tier- und Pflanzenwelt Bozens zu erhalten, die Vorkommen der einzelnen Arten zu kartografieren und sensible Zonen ausfindig zu machen. Dabei wurde besonderes Augenmerk auf gefährdete Spezies gelegt. Der Studie zufolge findensich auf Bozner Gemeindegebiet 1073 Pflanzenarten, von denen 16 Prozent (175) zu den gefährdeten zählen, die sich auf der so genannten Roten Liste befinden. „Rückzugsgebiete“ der bedrohten Arten sind vor allem der Guntschnaberg, die Oswaldhänge, der Virgl und Kohlern, der Sigmundskroner Hügel, St. Justina und St. Magdalena sowie die Etschgräben. Von den 19 in Bozen beheimateten Süßwasserfischen zählt die Mühlkoppe zu den am stärksten gefährdeten Arten. Ebenfalls vom Aussterben bedroht ist der zu den Brutvögeln zählende Flussregenpfeifer. Der Bozner Talkessel ist aber auch unter Zugvögeln eine beliebte Raststation. Die Reisenden bevorzugen dabei neben den Flussufern – man höre und staune – vor allem das Gelände um den Flughafen und sogar die Landebahn selbst. „Erst kürzlich haben 22 Störche in der Flughafengegend Station gemacht“, erzählt Egger. Und auch den ursprünglich aus Asien stammenden Rosenstar verschlage es auch ohne Funknavigation immer wieder auf das Flughafengelände. Unter den Säugetieren sind Rotwild, Feldhasen, Dachse und Füchse die prominentesten Vertreter. Doch auch Gamswild hat auf Bozner Gemeindegebiet seine Heimat gefunden. Neben der Schaffung von Bewusstsein für die uns umgebende Natur hat die Kartografierung der Flora und Fauna auch verwaltungstechnischen Nutzen. „Wir können die Daten bei Vorhaben – wie beispielsweise der Erstellung des Bauleitplanes – miteinfließen lassen“, erklärt Umweltstadtrat Klaus Ladinser und fügt an: „Flora und Fauna sind als Teil des Bozner Lebensraumes unbedingt erhaltenswert“.
Donnerstag, 28. Mai 2009
Arme Kulturlandschaft - Reaktionen
Leserbriefe bezugnehmend auf Gastkommentar von Andreas Hilpold in ff 20/09 über den Artenschutz in Südtirol.
ff 22/09
Die intensiv betriebene Landwirtschaft, die übertriebenen Planierungen in fragwürdigen Höhenlagen und die maßlosen Überdüngungen haben die Existenz vieler Pflanzenarten zerstört. Viele Magerwiesen und Feuchtgebiete sind verschwunden; die „rote Liste“ der gefährdeten Tier und Pflanzenarten steigt dramatisch an. Durch die Gülle verätzen und verbrennen zahlreiche sensible Bergblumen. Bei Meliorierungen wird das fein geflochtene Wurzelnetz radikal zerstört. Die Verrohrungen von Bächlein müsste strafrechtliche Konsequenzen haben. Beim Biotopschutz ist die Lage noch schlimmer. Durch fehlende Zäune landet die Gülle auf Bäumen, Sträuchern und verschmutzt das Grundwasser. Die Amtsträger kontrollieren dürftig, die Strafen sind so winzig, dass sie keine Abschreckung bewirken; bleibt nur mehr der aktive Naturschützer vor Ort, den jedoch bekämpft man mit der harten Faust! Für einen besseren Naturschutz, der klare Auflagen vorgibt, zwischen Biotope-Auen-Magerwiesen und Feuchtgebiete! Michael Burger, GsiesDie politischen Vertreter bemühen sich stereotyp, Bauern a priori als „Landschaftspfleger“ hinzustellen. Diese Pauschalisierung (auch die gegenteilige Behauptung wäre natürlich eine unzulässige Pauschalisierung) entbindet diesen Berufsstand – und vor allem die Politik, die dahinter steht – von der Verantwortung für die Landschaft. Für jene Landschaft, mit der wir uns identifizieren möchten und in Broschüren um den Gast werben!Ich jedenfalls verstehe es nicht als „Pflege“, wenn ganze Landstriche bis zu den Almen hinauf nivelliert werden, die verbliebene kleinstrukturierte Kultur- und Naturlandschaft weiterhin ausgeräumt wird und wenn sogar schon Bergwiesen vor lauter Gülle ökologisch (und aus Sicht des Futterbaus!) zu kippen drohen. Thomas Wilhalm, Bozen.
Unsere Regierung nennt sich demokratisch, auf Deutsch bedeutet das Volksherrschaft. Und wie funktioniert sie bei uns? Alle 5 Jahre kann das Volk wählen, die erkorenen Abgeordneten unterstehen bereits fast alle einer Partei. Aus ihrem Kreise wird die Regierung gebildet, bestehend aus Landeshauptmann und seinen Räte (Ministranten, laut SVP Hans Widmann). Diese kleine Gruppe von Politikern, wenige davon selbst denkend, hat eine ungeheuere Macht. Obwohl weit entfernt von den Vorstellungen und Willen des Volkes, trifft sie alle Entscheidungen. Nennt man das nicht Oligarchie? Otto Senoner, Wolkenstein
Freitag, 22. Mai 2009
Ausweg Biogas?
Dienstag, 19. Mai 2009
Arme Kulturlandschaft
(aus ff, Nr. 20, 2009)
Die ungebremste Intensivierung der Landwirtschaft von der Talsohle bis zu den höchsten Almen hinterlässt ihre Spuren. Warum der Arten- und Biotopschutz in Südtirol ein stiefmütterliches Dasein fristet.
von Andreas Hilpold
Auf den ersten Blick ist Südtirol auch im Naturschutz ein Musterschüler. Besonders was Klimaschutz, Mülltrennung und Abwasserreinigung betrifft, können wir uns durchaus mit unseren Nachbarn messen. Beim Artenschutz allerdings spielen wir allenfalls in der zweiten Liga. Der Erhalt der Biodiversität ist spätestens seit Rio 1992 neben dem Klimaschutz das wichtigste Thema der weltweiten Bemühungen zur Rettung unseres Planeten.
Arten sterben nicht nur am Amazonas aus, sondern verschwinden auch direkt vor unserer Haustür. Hauptursache für den derzeitigen Artenschwund ist hierzulande die ungebremste Intensivierung in der Landwirtschaft: Von der Talsohle bis zu den höchsten Almen wird noch immer planiert, entwässert und Gülle ausgebracht, wo es nur geht. Hinzu kommt, dass in einem Land, in dem Geld für fast alles zur Verfügung steht, beim Arten- und Biotopschutz empfindlich gespart wird.
Bei der Ausweisung von Naturschutzflächen ist Südtirol nur auf den flüchtigen Blick erstklassig. Bei genauerem Hinsehen wird klar, dass ein Gutteil davon kaum wirtschaftlich nutzbar ist und daher auch ohne Schutz unbehelligt bleiben würde. In den Talsohlen und an den besiedelten Seitenhängen unserer Täler allerdings, wo zahlreiche wirtschaftliche Interessen im Spiel sind und sich auch der Großteil der Arten befindet, die nun zu verschwinden drohen, sind Schutzgebiete Mangelware. Wahre Naturjuwelen wie die Villanderer Alm, wo von den Grundeigentümern ein gewisser Widerstand ausgeht, bleiben hingegen weiterhin ausgespart bzw. sind allenfalls als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen, also mit einem Schutzformat, das bezüglich Artenschutz relativ wirkungslos ist und zudem nur allzu oft von politscher Seite untergraben wird.
Selbst die Schutzgebiete, die sich mitten in der Kulturlandschaft befinden, sprich die knapp 200 „Biotope“, bieten nur einen ungenügenden Schutz für Tiere und Pflanzen. Die beamteten Naturschützer sind gerade im Falle der „Biotope“ personell zu hoffnungslos unterbesetzt, als dass sie einer wirkungsvollen Pflege und Kontrolle nachkommen könnten. Hier zählt man vielmehr auf den guten Willen von Kontrollorganen vor Ort und entsprechend ist das Ergebnis einmal zufriedenstellend, einmal völlig ungenügend. Von einem umfassenden Konzept einer Schutzgebietsbetreuung ist man noch weit entfernt.
Ob Naturschutz gelingt oder nicht, misst sich daran, ob Lebensräume samt ihrer unverwechselbaren Flora und Fauna eine reale Chance haben, auch zu überdauern. Doch um darüber verlässliche Aussagen treffen zu können, bräuchte es gezielte Erhebungen – Erhebungen, um den Istzustand zu dokumentieren und Vergleichserhebungen, die den Erfolg von Maßnahmen zeigen.
Der Kenntnisstand über zahlreiche Artengruppen ist hierzulande noch beschämend – frei nach dem Motto: was man nicht kennt, braucht man nicht zu schützen. Es fällt auf, dass bei der Einstellung des notwendigen akademischen Fachpersonals etwa in den Naturparken, sprich von ausgebildeten Zoologen und Botanikern, hartnäckig gespart wird. Auch fehlt nach wie vor – und da ist Südtirol absolutes Schlusslicht in Mitteleuropa – eine flächendeckende Lebensraumkartierung, die als Voraussetzung für einen ernst zu nehmenden Artenschutz unumgänglich wäre. Es scheint, dass von politischer Seite die zunehmende Degradierung unserer Kulturlandschaft und mit ihr der Verlust der Artenvielfalt in Kauf genommen wird – zum scheinbaren Wohl einer übermächtigen Bauernlobby, doch zum Leidwesen des Allgemeinwohles. Denn die Leidtragenden dieser Politik sind nicht nur ein paar unscheinbare Tier- und Pflanzenarten sondern die ganze Gesellschaft, vom Erholungsuchenden bis zum Bauern selbst. Nach und nach verlieren wir einen Teil dessen, was unser Land zum Erlebnis macht.
Das Offenhalten unserer Landschaft ist in Naturschutzkreisen seit Jahrzehnten ein zentrales Anliegen. Es ist diese Landschaft, die einer Vielzahl von Tier- und Pflanzenarten Lebensraum bietet. Doch offen ist nicht gleich offen. Eine Wiese ist natürlich offene Landschaft, dem Wanderer wird ein freier Blick auf Berge und Täler geboten. Doch ist dies das einzige Kriterium? Gehören zur Landschaft nicht auch die Farbtupfer im Grün der Wiese, der mit Flechten behangene Steinblock am Wiesenrand oder die sumpfige Stelle in der Wiesenmitte, die nicht nur für Frösche, sondern auch für spielende Kinder einen Anziehungspunkt darstellt? Ist eine Landschaftspflege förderungswürdig, die nur den freien Blick bewahrt und den ganzen Rest verschwinden lässt?
Es wäre natürlich vermessen, jegliche Veränderung von vorneherein zu verhindern. Vielmehr geht es darum, einen Mittelweg zwischen der halbwegs effizienten Nutzung der Fläche und dem Erhalt dessen, was die unverwechselbare Landschaft am Ende ausmacht, zu finden. Doch wie bewegt man einen Bauern dazu, die Landschaft so zu erhalten, dass sie der Allgemeinheit nützt und wie garantiert man ihm gleichzeitig eine angemessene Entlohnung? Pflegeprämien sind natürlich der richtige Weg, schließlich bringt der Bauer durch die Pflege der Kulturlandschaft und seiner Hofstelle eine Mehrleistung, die uns allen zugutekommt. Über die Wichtigkeit dieser Rolle scheint mittlerweile auch in der Bauernschaft selbst Konsens zu bestehen.
Doch leider wird dieser Weg nicht nur halbherzig, sondern auch zwiespältig begangen. Zwar gibt es mittlerweile beträchtliche Landschaftspflegepremien für eine nachhaltige Bewirtschaftung der Kulturflächen, doch gleichzeitig wird auch gefördert, wenn der Bauer dieselbe Fläche entwässern und planieren würde. Es scheint so, als ob das Agrarressort und das Umweltressort an zwei verschiedenen Strängen ziehen. Die einen bewahren, die anderen „meliorieren“.
Eine Polarität, die fast inszeniert erscheint. Auf der einen Seite der Bauer, der das Maximale aus der Fläche rausholen muss, auf der anderen Seite der Naturschützer, der dem fleißigen Bauern Steine in den Weg wirft. Eine einfache Botschaft. Aber wie so oft sind die einfachsten Botschaften nicht die richtigen. Das Hauptinteresse der Naturschützer ist es sicherlich nicht, die Existenz unserer Bauern zu gefährden, ganz im Gegenteil, und kaum ein Bauer ist wirklich daran interessiert, seine Felder in eine ökologische und landschaftliche Einöde zu verwandeln. Wenn er das tut, dann eher, weil ihm dies als einzig gangbarer Weg von politischer Seite suggeriert wird. Ein Wort noch zur viel zitierten Qualität. Was ist Qualität eigentlich? Sind einzig die chemischen Werte des Endproduktes ein Indiz dafür? Kann man wirklich von hoher Qualität eines Produktes sprechen, wenn die Produktion desselben eine völlig degradierte Kulturlandschaft zurücklässt? Wenn die Nahrungsmittelproduktion in den Alpentälern eine wirkliche Zukunft haben soll, dann nur, wenn sie die Standortvorteile, die sie hat, erkennt und diese gezielt einsetzt.
Der Standortvorteil wäre etwa bei der Milchproduktion die Kuh, die in einer möglichst intakten Landschaft gehalten wird, und dabei hochwertige Produkte liefert. Wer auch hierzulande auf Massenproduktion setzt, hat gegen die Milchmultis aus dem Alpenvorland schon verloren – Almosen betteln in Brüssel bleibt dann als letzter Ausweg.
Die hiesige Bauernschaft oder eigentlich die politische Lobby, die dahintersteckt, hat sich scheinbar für den letzteren Weg entschieden, möchte ihn uns aber immer noch als einen nachhaltigen Weg verkaufen. In dieses Schema passt auch das Schattendasein der Biolandwirtschaft in unserem Lande, vor allem in der Milchwirtschaft. Eine Stärkung dieser wäre wohl ein Eingeständnis, dass es auch natürlicher geht.
Es bleibt zu hoffen, dass in der heimischen Politik ein Umdenken passiert, wobei dafür zuallererst die Einsicht notwendig wäre, dass die derzeitige Landwirtschaftspolitik längerfristig nicht nur für die Natur, sondern auch für den Menschen negative Auswirkungen hat.
Montag, 18. Mai 2009
Schutz für wen?
(aus ff 20, 2009)
Wie die Landesregierung die Bedenken der eigenen Verwaltung ignoriert und Eingriffe in die Kulturlandschaft absegnet. Beispiele einer gängigen Praxis.
Die Hauruckaktion im Naturpark Texelgruppe liegt nun schon einige Jahre zurück und sorgte für landesweite Schlagzeilen. Über Nacht hatte der Naturnser
Baggerunternehmer und Bauernbundobmann Helmut Müller einen Fahrweg auf die im Natura-2000-Gebiet liegende Dickeralm gebaggert – um einer Einstellung der Arbeiten durch das Verwaltungsgericht zuvorzukommen. Ein nur wenig abgespecktes Varianteprojekt der Straße fiel bei der Landesverwaltung in der Folge erneut durch, bis ein von der Landesregierung in Auftrag gegebenes externes Gutachten prompt positiv ausfiel, der Rekurs angenommen und das Projekt zur Erschließung der Dickeralm im vergangenen Sommer durchgewinkt wurde.
Der Natur- und Landschaftsschutz war damit ausgehebelt, gerade so, als wären die eigenen Techniker des Landes unqualifiziert. Anders formuliert: Die Landesregierung hatte ihre eigene Verwaltung wieder einmal vorgeführt. Der Fall des umtriebigen Baggerunternehmers – er hat erst vor wenigen Wochen wieder einmal zugeschlagen, indem er ohne Baugenehmigung eine umstrittene Hängebrücke am Naturnser Sonnenberg errichtete – ist weder ein Einzel- noch ein Präzedenzfall. Es handelt sich lediglich um den bekanntesten jener Fälle, bei denen begründete Bedenken des Natur- und Umweltschutzes ohne höhere Notwendigkeit oder öffentlichen Nutzen übergangen werden und wirtschaftlichen Einzelinteressen weichen müssen. Etliche Fälle wie dieser lassen eine gängige Praxis erkennen, ist man im Dachverband für Natur und Umweltschutz überzeugt.
Das Schema stellt sich für die Naturschützer wie folgt dar: Ein Projektträger sucht in einem landschaftlich sensiblen Gebiet beispielsweise um eine Erschließung, Meliorierung oder einen Bau an; blitzt das Projekt bei der Landesverwaltung, zum Beispiel bei der Landschaftsschutzkommission oder der UVP ab, reicht der Projektträger einen Rekurs ein; die Landesregierung setzt in der Folge einen externen, also „unabhängigen“ Gutachter ein, der das Projekt – eventuell mit kleinen Abänderungen – in der Regel gutheißt und genehmigt und nur in den seltensten Fällen ablehnt.
Dabei macht man es sich bei den Beurteilungen der Landschaftsschutzkommission alles andere als leicht. „Negative Entscheidungen unserer Kommission sind selten“, sagt Maria Theresia Pernter, Vertreterin der Umweltverbände in der II. Landschaftsschutzkommission. „Wir geben nicht so einfach negative Beurteilungen ab. Wenn wir etwas ablehnen, dann handelt es sich um einen wirklich gravierenden Eingriff“, sagt die Architektin.
Man mag ihr glauben, wenn man sich die Zusammensetzung der II. Landschaftsschutzkommission vor Augen führt: Bis Vertreter der Bauernschaft, der Forstwirtschaft, des Denkmalschutzes, der Raumordnung, der Umweltverbände und des Natur- und Landschaftsschutzes an einem Strang ziehen, bedarf es einiger Anstrengung – oder Projekte, die tatsächlich als massive Eingriffe in die Landschaft verstanden werden müssen. Um solch einen gravierenden Eingriff handelt es sich auch bei einem Projekt, das vor zwei Wochen von der Landesregierung abgesegnet wurde, nachdem der Projektträger gegen eine negative Beurteilung der II. Landschaftsschutzkommission rekurriert hatte. Es handelt sich um ein rund zwei Kilometer langes Bahnprojekt von St. Ulrich auf die weitläufige Hochalm Raschötz im Naturpark Puez-Geisler. Es sieht u.a. eine 283 Meter lange und 20 Meter hohe Brücke vor.
Noch freilich preist man die Idylle. „Durch die Lage im Naturpark hat sich die Romantik des Einer-Sesselliftes erhalten können“, heißt es im Internetauftritt des Berggasthauses Raschötz. Mit dieser Art von Romantik ist es nun vorbei. Die Landesregierung hat bei der Annahme des Rekurses durch den Projektträger, die Raschötz GmbH, nicht einmal die Abänderungsvorschläge ihres externen Gutachters berücksichtigt. Dieser hatte eine geringfügig veränderte Trasse, eine flexible Hangneigung und vor allem die Streichung der großen Brücke vorgeschlagen. Auch weil man auf das Habitat Rücksicht nehmen wollte, das sich kaum von dem des angrenzenden Naturparks unterscheidet. Die Bahntrasse markiert die Grenze des Naturparks Puez-Geisler, ein Natura-2000-Gebiet. Jetzt wird im Zuge der aufwendigen Arbeiten zur Errichtung der Standseilbahn auch der einmalige Gletscherschliff entlang der Trasse abgetragen werden müssen.
Das 9 Millionen Euro teure Projekt soll ab kommendem September realisiert werden. Die begründete Kritik der eigenen Experten ließ die Landesregierung auch in einem anderen Fall gänzlich unberücksichtigt: beim Ausbauprojekt des bestehenden Almsteiges Kirchberg im Sarntal. Eine landschaftsschonende Erschließung, die eine geringere Wegbreite mit sich gebracht hätte, wurde von den Antragstellern abgelehnt, ihr Rekurs angenommen, mit zum Teil kurioser Begründung: „Die gegenständliche Fläche, auf welcher der Weg ausgebaut werden soll, ist absolut nicht einsehbar und der Wegbau wirkt daher nicht negativ auf das dort bestehende Landschaftsbild.“ Wie das Landschaftsbild aussieht, lässt sich am Bild auf der vorherigen Seite ablesen (1. Foto von li.).
Beispiel Nr. 3: Der umstrittene Walderschließungsweg zum „Schermetzeinwald“ und „Gannerwald“ am Vinschger Sonnenberg oberhalb von Tschars. Die II. Landschaftsschutzkommission hatte in ihrer Ablehnungsbegründung vollinhaltlich die Position der Gemeindebaukommission von Kastelbell-Tschars übernommen, wonach der Eingriff aus landschaftlichen und ökologischen Überlegungen nicht vertretbar sei. Wörtlich heißt es:
„Im vorliegenden Fall liegen keine zwingenden Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich sozio-ökonomischer Art vor, die für die Realisierung des Vorhabens sprechen.“ Der Rekurs gegen das Projekt, das laut Kommission vom „landschaftlichen Standpunkt nicht tragbar“ ist, wurde von der Landesregierung im vergangenen Jahr angenommen.
Die Finanzierung des auf knapp 350.000 Euro veranschlagten 3,2 Kilometer langen Forstweges wird natürlich von der öffentlichen Hand getragen und damit vom Steuerzahler. Kurios: Vor gut zehn Jahren wurde der Umbau des Almgebäudes der Schloss-alm zu einer (komfortablen) Forst- und Jagdhütte vom Forstinspektorat Schlanders deshalb positiv begutachtet, weil er für die forstwirtschaftliche Bearbeitung der Waldflächen nutzbringend sei, „zumal der Wald wegmäßig nicht erschlossen ist und die Gehzeiten der Waldarbeiter durch die Unterbringung an Ort und Stelle wesentlich verringert werden können“. Besitzer der Hütte (s. nebenstehendes kleines Bild ) ist damals wie heute der Meraner
Anwalt Martin Ganner. Der Jäger, der ober Juval auch sein Eigenjagdrevier hat, ist mit 220 Hektar auch der größte Waldbesitzer vor Ort. „Zufällig führe der geplante Weg an seiner Jagdhütte vorbei“, zitierte der Vinschger Wind Stimmen aus der Gemeinde Kastelbell.
Als eher untypisch, aber strategisch durchaus gefinkelt, darf Beispiel Nummer vier bezeichnet werden. Hierbei handelt es sich um den Bau eines Erschließungsweges zur „Höller-Gschwent“ und der „Rübner-Seeberg-Alm“ durch das Bodenverbesserungskonsortium Sarntal. Die II. Landschaftsschutzkommission sprach sich 2006 gegen die geplante Erschließung der auf Sarntaler und Villanderer Gemeindegebiet liegenden Rübner Seeberg-alm (ff 22/2006) aus. Grund dafür sei, dass den landschaftlichen, archäologischen und historischen Gegebenheiten nicht Rechnung getragen werde (der oberste Trakt des geplanten Weges berührte das Villanderer Moor).
Doch die Kommission formulierte einige Voraussetzungen, unter denen das Projekt wieder eingereicht werden könnte: Grundvoraussetzung hierfür war, dass der heikle Bau des Erschließungsweges von der in Sachen Wegbau erfahrenen Forstverwaltung durchgeführt werden sollte. Die Verantwortlichen des Konsortiums verzichteten in der Folge auf einen Rekurs und reichten ein Varianteprojekt ein. Doch auch dieses wurde von der Kommission abgelehnt („gravierende landschaftsästhetische Beeinträchtigung dieser besonders schutzwürdigen, intakten und einzigartigen Landschaft“).
Im neuesten Projekt will man den Moorabschnitt seitlich umgehen (s. rechtes Foto, S. 31). Fruchtet auch diese Variante nicht, dürfte man seitens des Bodenverbesserungskonsortiums wohl zum Mittel des Rekurses greifen. Ob ein solcher Erfolg hat, steht in den Sternen. Doch ein Blick auf die Gepflogenheiten rund um den Schutz der Villanderer Alm weist in eine Richtung, die Naturschützern nicht gerade hold ist.
Seit Jahren schon drängt die EU, die Villanderer Alm unter Schutz zu stellen. Doch die Landesregierung will davon nichts wissen und „übt sich in Verzögerungstaktik“, wie ff im Februar vergangenen Jahres aufgezeigt hat. Bekanntlich hat das italienische Umweltministerium auf Geheiß der EU Südtirol mehrmals aufgefordert die Villanderer Alm als Natura-2000-Gebiet auszuweisen, da andernfalls ein Vertragsverletzungsverfahren seitens der Europäischen Kommission eingeleitet werde. Gemeinde und Bauernschaft haben sich bis dato aber erfolgreich gegen eine Unterschutzstellung gestemmt. Und wenn sich auf Staatsebene eine andere Region mit einem vergleichbaren Lebensraum schützen lässt, dann könnte man dem EU-Drängen sogar noch ausweichen.
Die Folgen der bisherigen Verzögerungstaktik durch die Landesregierung lassen sich indessen auf der rund 15 Quadratkilometer großen Hochalm, die auf der Alpensüdseite aus ökologischer Sicht ihresgleichen sucht, bereits feststellen. So können bestehende Hütten problemlos abgetragen und an anderer Stelle problemlos zur feudalen Almhütte aufgerüstet werden (s. Foto oben) oder einfache Unterstehmöglichkeiten für das Weidetier zu ansehnlichen Ställen ausgebaut werden – mit einer unterirdisch verbauten Kubatur, für die es gar keine Genehmigung braucht (Foto darunter). Von Bagatelleingriffen kann hier wohl kaum gesprochen werden. Die Liste der über Rekursweg genehmigten Projekte ließe sich problemlos fortführen.
„Es ist nicht das Recht auf Rekurs, das uns stört, es ist die unreflektierte Annahme wider besseren Wissens“, sagt Andreas Riedl vom Dachverband für Natur- und Umweltschutz. Für Riedl ist nicht nachvollziehbar, dass man mit einem nur geringfügig geänderten, aber in der Substanz gleichbleibenden Projekt, nur oft genug ansuchen muss, um den Segen der Landesregierung zu erhalten.
„Man stellt Maximalforderungen, um dann in einem Varianteprojekt mit wenigen Abstrichen doch noch zum Erfolg zu kommen“, so Riedl. Auf die Frage, ob früher die Entscheidungen der II. Landschaftsschutzkommission stärker respektiert waren, antwortet ihr Präsident, Andrea Oggiano, Direktor des Landesamtes für Landschaftsschutz, mit einem kurzen aber bedeutungsvollen „Ja“. Umweltlandesrat Michl Laimer war für ff bis Redaktionsschluss leider nicht zu erreichen.
Markus Larcher
Montag, 11. Mai 2009
vom Kokon in die Wirklichkeit
"Trotz einzelner Forschungsschwerpunkte, die die räumlich zersplitterte, in den Kokon von Überfinanzierung, Intrigen und gesellschaftlicher Abgrenzung eingesponnene Universität umfassen, von dort weiter über die EURAC, das Versuchszentrum Laimburg und kleinere Zentren reichen, sind Stellenwert und Reichweite von Wissenschaft im natur- und geisteswissenschaftlichen Bereich in Südtirol nach wie vor dürftig."
Montag, 4. Mai 2009
Hallo catabrosa,
norbert